20.06.2016

Pfad der Sinne

Wie kann man Menschen mit Benachteiligung in ihren Fähigkeiten fördern? Wie kann man den Nachweis erbringen, dass in uns allen, auch in den Schwächsten, Potentiale zur Weiterentwicklung schlummern?

 

Wie kann man Menschen mit Benachteiligung in ihren Fähigkeiten fördern? Wie kann man den Nachweis erbringen, dass in uns allen, auch in den Schwächsten, Potentiale zur Weiterentwicklung schlummern?

 

Diese Fragen haben Herrn Alexander Deutsch, den Mann, der hinter dem Projekt „Pfad der Sinne" steht, schon lange beschäftigt und sie werden es auch weiterhin. Die Idee für sein Projekt wurzelt zum einen in seinen langjährigen Erfahrungen als Ergotherapeut, zum anderen in seiner Liebe zur Natur. Durch seine Arbeit in der Ergotherapie weiß er um die heilpädagogische Kraft der Natur, sprich der Pflanzen, Tiere und Elemente. Seine Zielsetzung war daher, einen „Raum der Begegnung" von Natur und Mensch zu gestalten, der eine bewusste, eine sinnliche Wahrnehmung der Umwelt ermöglicht und fördert. Ähnliche Angebote zur Sinneswahrnehmung gibt es auch andernorts in Deutschland; der Verein „Pfad der Sinne e. V." hat mit seinem mobilen Projekt jedoch etwas Besonderes und in Deutschland bisher Einzigartiges geschaffen: er besucht (saarlandweit) benachteiligte Menschen, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind, direkt vor Ort in ihren Einrichtungen und schafft somit neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe.

 

Ein solches Erlebnis der Sinne wurde nun auch unserer Einrichtung und unseren Senioren ermöglicht. Herr Deutsch und seine Mithelfer haben es geschafft, in unserem Haus auf ca. 80 Quadratmetern Fläche eine wunderschöne Waldlandschaft herzurichten mit (fast) allem, was zum Wald dazugehört. Die Besucher erlebten auf kleinem Raum den Wald, seine Bewohner und viele Sinneseindrücke, die vielleicht im Alltag in Vergessenheit geraten sind. Es wurden die visuelle und die akustische Wahrnehmung (Sehen und Hören) sowie der Geruchsinn, der Geschmackssinn und der Tastsinn gefördert.

 

Beim Betreten des Waldes wurden wir sogleich begrüßt von fröhlichem Vogelgezwitscher und dem beruhigenden Plätschern einer Quelle. Beides hat uns auf dem Weg durch das Waldstück auf angenehme Weise begleitet. Begleitet hat uns auch der feuchtwarme, leicht modrige Geruch des Laubes, das überall auf dem Boden verteilt war und bei jeder Bewegung aufgewirbelt wurde. Durch diese ersten Eindrücke wurde bei vielen Besuchern bereits an Erinnerungen angeknüpft. So erinnerte sich eine ältere Dame gerne daran, dass sie als Kind jeden Sonntagmorgen mit dem Vater im Wald unterwegs war. Diese Verbundenheit mit der Natur besteht bis heute. Ein schönes Beispiel dafür, wie Sinneswahrnehmung die Kommunikation anregen und für Lebensfreude und ein allgemeines Wohlbefinden sorgen kann.

 

Auf unserem Spaziergang trafen wir auf verschiedene Tiere, die alle in unseren Wäldern heimisch sind und uns jetzt neugierig ansahen: Wildschwein, Dachs, Igel, Reh mit Kitz, Eichhörnchen, Fuchs und ein Greifvogel; alle aus Eiche geschnitzt und daher ungefährlich. Man fühlte sich direkt eingeladen, die Tiere anzufassen und zu streicheln, was auch ausdrücklich erwünscht war. Denn es gilt als erwiesen, dass durch das Anfassen und Fühlen viel mehr Eindrücke hinterlassen werden als durch jedes gesprochene Wort. Wer noch mehr über die Tierwelt erfahren wollte, durfte eine kleine Ruhepause einlegen und sich im Wald einen Film über die Waldtiere anschauen.

 

Wer wollte, konnte sich über die bei uns am häufigsten vorkommenden Baumarten - jeweils mit Stamm und dazugehörigen Zweigen als Baum aufgestellt - informieren. Gerne gab Herr Deutsch Auskunft über die spezielle Bedeutung der einzelnen Arten und deren Nutzen für Natur und Mensch.

 

Es waren mehrere Fühlkästen aufgestellt zum Erfühlen und Ertasten verschiedenster Gegenstände, dir wir auf dem Waldboden vorfinden: von Steinen über Vogelfedern, Tannenzapfen, Kastanien, Haselnüssen bis hin zu Schneckenhäusern.

 

Unser Geruchsinn war gefordert, als es darum ging, verschiedene Kräuter nur durch Riechen zu erraten. Keine leichte Aufgabe. Die Besucher waren alle beeindruckt vom intensiven Geruch der frischen Kräuter, auch wenn eine Zuordnung nicht möglich war.

 

Mit biologisch angebautem Honig wurde zu guter Letzt unser Geschmackssinn verwöhnt. Dieses süße Wunder der Natur wurde von allen sichtlich genossen. Eine Bewohnerin unserer Einrichtung, früher selbst als Hobbyimkerin tätig, lauschte mit strahlenden Augen, als Herr Deutsch über die Imkerei und die immense Bedeutung der Bienen für unsere Natur sprach.

 

Nachdem der Waldbesuch unsere Sinne auf so vielfältige Weise angeregt hatte, wir von Erinnerungen eingeholt und wir uns darüber ausgetauscht hatten, waren wir abschließend zum Experimentieren aufgefordert. Durch das Anstoßen eines Sandpendels wurde demonstriert, dass auch die Schwächeren unter uns noch etwas in Bewegung setzen können. Das sichtbare Ergebnis der Pendelbewegung war ein in Sand gezeichnetes wunderschönes Muster. Mit viel Begeisterung und Erstaunen wurde an den verschiedenen Klangschalen und dem Klangstein experimentiert. Durch Anschlagen einer Klangschale in der geöffneten Hand konnten wir die Klänge nicht nur hören, sondern auch erfühlen und erleben. Besonders bei den an fortgeschrittener Demenz erkrankten Bewohnern konnten wir die Wirkung der Vibrationsreize in den Gesichtern ablesen. Auf dem

Klangstein ließen sich allein durch feuchten Händedruck seltsam mystische Töne erzeugen, verändern und halten.

Nachdem wir allen mobilen Bewohnern, teils in Begleitung ihrer Angehörigen, die Teilhabe an diesem Projekt ermöglicht hatten, waren nun die immobilen Bewohner unserer Einrichtung an der Reihe. Mit einer kleinen Auswahl seines großen Angebots hatte Herr Deutsch sie auf ihren Zimmern besucht. Auch sie durften fühlen, riechen und hören und ihre Eindrücke mitteilen. Es wurde rege kommuniziert und viel gelacht.

Unserer Einladung zu einem Besuch folgten auch die Kinder des Evangelischen Kindergartens Bischmisheim. Von den Kleinsten (den Krippenkindern) bis zu den Größten (den Vorschulkindern) haben sich alle auf den Weg gemacht, unseren Wald zu erforschen. Es hat riesigen Spaß gemacht, das große Interesse der Kinder und ihre unbekümmerte Herangehensweise zu beobachten. Herr Deutsch musste einiges erklären, um den Wissensdurst der Kinder zu stillen.

Das mehrtägige Projekt wurde abgeschlossen mit einem unvergesslichen „Waldgottesdienst", bevor der Wald wieder abgebaut und die Räume in ihren Urzustand zurückgeführt wurden.

 

An dieser Stelle danken wir ganz herzlich dem ortsansässigen Landschaftsgärtner Herrn Dirk Nemenich für die Bereitstellung eines Fahrzeuges zum An- und Abtransport des Waldes. Wir danken dem Evangelischen Kindergarten Bischmisheim unter der Leitung von Frau Schuster für seinen Besuch und die große Freude, welche die Kinder unseren Senioren immer wieder bereiten.

Ein ganz dickes Lob geht an Herrn Alexander Deutsch, der uns dieses besondere Erlebnis ermöglicht hat. Wie wir wissen, plant er bereits einen stationären Pfad der Sinne in Dudweiler, mit vielen neuen, tollen Ideen und natürlich zugänglich für Rollstuhlfahrer. Wir sind schon sehr gespannt und freuen uns auf ein Wiedersehen.

 

U. Schwartz

 

 

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